Frauentag in Berlin aka Feiertag. Was macht man, um den Tag richtig zu nutzen ? Genau, man plant einen Trip ins mittlerweile gelobte Land. Italia. Man meinte es sogar noch gut zu mir: Lebowski, ein Fan Owned Club in der Toskana, spielt zu Hause. Dementsprechend wurde die Route gewählt und ich saß Freitagmorgen um halb sieben im Zug nach Verona. Warum Zug ? Naja .. Es gibt so Phobien, die es einem nicht leicht machen, das Gefährt in der Luft zu nutzen. 10,5 Stunden Fahrt über München, Innsbruck, Brenner, Trento und finalmente Verona. Klar, ein langer Ritt, aber ganz ehrlich, landschaftlich auch einiges zu bieten. 

Sonntagmorgen, Centro Storico Lebowski stand auf dem Zettel. Aber wer oder was ist denn eigentlich dieses Lebowski ?

Um das Jahr 2004 sammelten sich knapp 20 Freunde aus verschiedenen Gymnasien in Firenze, sagten dem modernen Fußball Arrivederci und schlossen sich dem letzten der untersten Liga an. Unsicher machte man alle Dorfsportplätze als “Ultimi Rimasti Lebowski” (die letzten Übriggebliebenen) in der eigenen “Curva Moana Pozzi”. Moana war vor Ihrem Tod nicht nur Pornostar; Sie kämpfte für Sexworker, supportete LBGT Rechte und legte sich gar mit der Mafia an. Ausschlaggebend für den Support des damals noch AC Lebowski war wohl eine 8:0 Niederlage in der Woche zuvor. Man hatte die Schnauze voll von Repression, Zerstückelung der Spiele über 3-4 Tage, Fernsehgelder, Anmeldung von Bannern usw. Man wollte wieder zurück zu dem was Calcio einmal war, etwas neues erschaffen. Einen Ort, der für Selbstbestimmung, Freiheit, Solidarität, Verantwortung und flache Hierarchien steht. Einen Ort, der Menschen zusammenbringt und glücklich macht frei von Homophobie oder Sozialstigmatisierung. Den Fan weg von der Inferiorität zurück zu dem was er eigentlich sein sollte: Gleichgestellt mit allen wirkenden Instanzen ! 

Wenige Jahre später wurde der Verein den Jungs aus Firenze mit der Begründung übergeben, dass so viel Engagement einfach weiterleben muss. Centro Storico war somit 2010 geboren.

Ohne großartig zu fabulieren muss es wahrlich unfassbar viele abenteuerliche Geschichten rund um den Verein geben: z.B. warum man eigentlich Gelb-Schwarz-Grau als Vereinsfarben hat. Das Geld war beim AC Lebowski knapp, man war auf der Suche nach einem Satz neuer Trikots und man entschied sich kurzerhand einfach für das Billigste was der Laden hatte. Die Farben damals waren Schwarz und Grau. Gelb kam mit der Gründung von Centro Storico hinzu.

Calcio schluckt mittlerweile auch schon in den Niederungen ordentlich Geld. Schätzungen zufolge wird eine sechsstellige Summe jährlich aufgebracht, um all die Kosten zu tragen, die man für einen reibungslosen Spielbetrieb benötigt. Auswärtsfahrten, Jugendmannschaften, Frauenmannschaft, Bewirtung, Merch usw. Aber durch die Öffnung des Clubs für Menschen aus aller Herren Länder hat man es mittlerweile dann doch auf um die 570 Members geschafft, die den Club monetär unterstützen. Diese kauften eine Art Share und natürlich auch, ganz der grundsätzlichen Idee, Mitspracherecht im Verein.

Ab in die Suburbs von Firenze nach Tavarnuzze und direkt ins Stadio. Sagen wir Sportplatz mit einer Tribüne. 6te Liga, Promozione halt. Ab 12.30 gibt’s Essen für die Supporter, gemeistert von den Supportern. Pommes solo, Pommes mit frittiertem Gemüse und Pommes mit frittierten Tintenfischringen. Dazu verschiedene Birra. Man merkt, daß die Jungs und Mädels mächtig wert auf Vereinsleben legen. Kurz später kam ich mit einem der Locals ins Gespräch, bei denen ich mich über FB angekündigt hatte. Leider war nicht all zuviel Zeit, da er nach seiner fußballerischen Laufbahn bei Lebowski die Bambini Fraktion übernommen hat. A propos Bambini. Man hat mittlerweile eine „scuola calcio“ ins Leben gerufen. Mitten in Florenz wird kleinen Kids der Fußball nahegebracht. Ohne Gewinnen oder Verlieren, nicht auf einem fein gemähten Rasen, nein einfach auf der Straße. Es werden Werte vermittelt, die heutzutage dann doch immer mehr abhanden kommen. Genug Zeit aber trotzdem, um mir etwas über den Verein zu erzählen und wie stolz man doch ist, über das, was erschaffen wurde. Nach langer Suche wurde die neue Spielstätte gefunden, bei der man endlich auch Mitgestaltung hatte. Heißt, die Tribüne wurde kurzerhand mit dem Lebowski Schriftzug angepasst, man durfte Container aufstellen, um Merch zu verkaufen, man kann Verpflegung in Eigenregie anbieten, was dem Verein zugute kommt. Feine Sache muß ich sagen.  Die Partnerschaft des Heimteams, ASD Tavarnuzze mit Atalanta wird im Jugendbereich durch monatliche Visits der Atalanta Jugendtrainer von Lebowski mitgenutzt. Vermittlung von Trainingsmethoden und und und wird den Locals hier vermittelt. Weiter hat man aber mit Atalanta nichts am Hut, denn  die meisten Lebowskis sind dann doch wohl der Fiorentina zugeneigt. 

Merch gecheckt, n paar Sachen mitgenommen und noch 2 weitere Hopper aus Germania getroffen. Anpfiff 15 Uhr. Schätze der singende Mob besteht aus knapp 100 Mann (von den grob 250 Anwesenden), Trommel, Pyro und 90 Minuten Dauersupport. Wieder, kein Stacco-Langweiler-Gesang wie es so oft bei uns ist. Schönes, melodisches Potpourri, wie man es von den Italos gewohnt ist. Der Gegner USD Albina (direkter Tabellennachbar im Kampf um den Abstieg) konnte mit 4:0 nach Hause geschickt werde, was die Laune der Ultra Riminsti natürlich deutlich steigerte. Herausragender Spieler war mal wieder die Nummer 10, ehemaliger Serie D Spieler (Arezzo damals noch) mit einer Kiste und Vorlage. 

Nach dem Spiel kam ich noch mit einigen von Lebowski ins Gespräch. Herrlich geselliges Zusammensein plus die natürlich nicht zu fehlende Mentalita. 

Herzlich wurde ich aufgenommen, einfach wurde es mir gemacht. Wiederkommen muß ich so oder so, je eher desto besser. Um den Fußball zu erleben wie man es heutzutage kaum noch erleben darf. Anders, ehrlich, herzlich, weder pathetisch noch überheblich, altruistisch, zusammen, dem Fußball zugewandt.

Leider war ich zwei Wochen zu früh in der Toskana und verpasste das “Long Distance Member” Weekend. Es wurde ein Wochenende mit Besuchen der Junioren, Frauen und dem abschließenden Derby gegen Audace Galluzzo veranstaltet. Es gab noch eine Entdeckungsreise auf den Spuren der Lebowskis durch Florenz rund um ihre Gründungsgeschichte und und und. Der Tabellenführer wurde unter der toskanischen Sonne mit 3:0 nach Hause geschickt, Belissimo, unterstützt von Supportern aus Berlin, Venedig, Bologna, Roma, Schweden, Griechenland und auch den Coloniacs aus Köln, zu denen man mittlerweile eine langjährige Freundschaft pflegt. So ist es nicht verwunderlich wenn auf einmal der Dude in der Kölner Kurve auftaucht.

Um es abschließend in den Worten der Ultra Rimisti zu sagen, was denn Fußball für die Jungs und Mädels war und ist:
“To explain what the Centro Storico Lebowski is worth, it is worth describing what took us away from the glittering football of Serie A. We were tired of championships without surprises, of rankings drawn by TV rights and palace intrigues, of matches every three days, always more frantic and less spectacular, of a football without waiting and pauses, which is no longer able to wait for Sunday. The CSL is above all the Last Remains, which are the heart of everything we do; it is of those who cut the grass of the field before the games, of those who organize the parties to bring money to join the championship, of those who make the collections to self-finance the sports equipment, of those who clean the venue, of those who collect the balls after training, for those who wear their colors with passion and respect. We have in mind to create a context where to kick in the maximum autonomy, as far as we can, from the interference of the State and the market in the game. For this reason we aim to exist thanks to self-financing and to the help of true sports enthusiasts, without giving anything to the speculations that accompany today’s football.”

Grazie Lebowski, Forza Lebowksi.

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